Der SPIEGEL meldet, die Deutschen hätten in großen Teilen keine Lust mehr auf den Lockdown, die Stimmung sei nach Umfragen gekippt.
Das Phänomen hat einen Namen, „Desaster Fatigue“, und bezeichnet das Abstumpfen gegenüber der Ernsthaftigkeit der Lage und den Wunsch nach Normalität. Auch entgegen der Fakten. Weil man sich für sie immer weniger interessiert.
Was ich mich immer frage, ist, warum wir Deutschen uns als Insel begreifen. Warum wir meinen, dass wir es besser können, dass wir immuner sind als alle anderen.
Die ganze Welt ist im Würgegriff dieser Krise. Mit drastischen Konsequenzen. Indien hat einen Lockdown für über 1 Milliarde Menschen erlassen, ganz Europa, die USA und andere Länder gehen viel strikter vor mit ihrem Kontaktsperren als wir in Deutschland. Und trotzdem diskutieren die Menschen hier ohne Unterbrechung über die Verhältnismäßigkeit. Aber ist das „verhältnismäßig“?
Gibt es nicht schlimmere Probleme, als dass man kein ungetrübtes Osterfest feiern kann? Ist es nicht dekadent, eine weltweite Krise so zu ignorieren?
Das große Paradox aber ist, dass die Deutschen Weltmeister im Reisen sind, und doch so auffallend wenig von der Welt um sie herum mitbekommen. Ob das wohl an der Abschottung von All-inclusive-Hotelanlagen liegt? Oder hat es noch andere , nämlich kulturelle Gründe?
sweetkoffie
April 11, 2020 at 12:29 pm
Bei allem Ernst der Lage, geht es uns doch gut. Ostern daheim tut doch keinem weh. Telefonieren dürfen wir doch noch😉
tinyentropy
April 11, 2020 at 12:30 pm
So sehe ich das nämlich auch
marien86
April 11, 2020 at 6:16 pm
Lieber tinyentrop
vielen Dank für deinen Beitrag.
Hat das von dir angedeutete Verhalten nicht eher psychologische Gründe? Wir werden aus unseren Mustern der Routine herausgerissen und wollen dort wieder zurück.
Es geht, meiner Meinung nach, also nicht um den engstirnigen Deutschen sondern um das menschliche Verhalten an sich. Ja, man kann dem Menschen der westlichen Industriegesellschaften Dekadenz vorwerfen. Die Friseurin sitzt mit 60 % Kurzarbeitergeld zuhause. 60 % von dem, wo sich ein Leben eh schon schwer finanzieren lässt. Und nehmen wir das Ehepaar, dessen Beziehung schon lange angeknackst ist. Sie werden jetzt noch länger noch intensiver zusammenleben müssen. Es könnte häusliche Gewalt drohen. Ich könnte weitere solche Beispiele anführen. Ist es dekadent, dass die Leute (mit ihrem persönlichen Hintergrund) nach der Verhältnismäßigkeit fragen?
Vielen Leuten wird doch sehr viel zugemutet. Ja, hier geht es uns noch relativ gut. Aber was hat diese „Güte“ mit der Kritik an den Maßnahmen zu tun? Was sind Gründe und Kriterien, die eine Kritik rechtfertigen könnten. Wer bestimmt diese?
Dein Beitrag schubst das Körnchen Wahrheit, meiner Meinung nach, an aber trifft es nicht. Die Menschen haben eine konkrete Lebenssituation aber auch eine Psyche. Er erscheint mir selbst etwas engstirnig und im eigenen Tellerrand bleibend.
Ich komme aus aus einer Schicht, wo nichts all inclusive war, wo wir mit Unsicherheiten der Nachwendezeiten umgehen mussten. Wenn ich in meinem Familien- und Bekanntenkreis sehe, sehe ich reelle Ängste und Stresssituationen.
Diese Menschen sollen Ihre Kritik und Ängste weiterhin äußern dürfen. Auch wenn diese nicht immer rational und „angemessen“ sind. Ängste und Stress sind nicht weg-diskutierbar. Menschen sind keine Vulkanier sondern eben Menschen. Die Rede von einer „All inclusive“-Mentalität bringt uns nicht weiter. Sie vereinfacht zu stark und ignoriert die Individualität eines jeden Menschen, der mit dieser Situation umgehen muss.
Lieben Gruß
David