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Generation A(-B)

09 Sept

Wer A sagt, muss auch B sagen. Und zu einer Kritik gehört Tatkraft. Eigentlich.

Beides sind Attribute, die den heute 30- bis 59-Jährigen fehlen. Wir sind die Generation “bequem und mutlos“. Dies zeigen die Zahlen einer Umfrage bei Spiegel Online:

Umfrage unter 30- bis 59-Jährigen: Mir geht es gut – aber Deutschland ist ungerecht – SPIEGEL ONLINE

Der klare Befund der Befragten: Deutschland sei und werde immer ungerechter. Die Vermögen sind ungerecht verteilt. So heißt es in der Statistik des Artikels:

„70 Prozent der Befragten glauben, in Deutschland habe die Kluft zwischen Arm und Reich in den vergangenen drei bis vier Jahren zugenommen, nur sieben Prozent sehen sie nun kleiner. Und 64 Prozent empfinden die Verteilung von Vermögen und Einkommen als nicht gerecht, lediglich 14 Prozent haben das Gefühl, in einer gerechten Gesellschaft zu leben.“

Ein Moment zum Innehalten. Nur 14% der Befragten haben das Gefühl, in einer gerechten Gesellschaft zu leben, und die meisten davon sehen klare Zeichen für eine weitere Verschlechterung in den nächsten Jahren.

Ich würde sagen: “Glückwunsch, die Herrschaften und Damen, Ihre Diagnose stimmt!“ 

Also, was ist zu tun? 

Die Antwort auf meine rhetorische Frage klingt für viele Ohren links-terroristisch: Umverteilen. Das Gespenst des Kapitalismus!

Aber ernsthaft; welche Alternative gibt es denn zu einer Umverteilung von Vermögen, wenn sich diese in einer krassen Schieflage zwischen Arm und Reich in Deutschland verteilen? Und mehr noch gesellt sich dazu die Beobachtung, dass seit Jahrzehnten die politischen Weichen auf eine immer größer werdende Schieflage zusteuern. Wäre es nicht schon ein Gebot der Vernunft mal wieder umzusteuern?

Zurück zu der Umfrage. Die Meinungen der Befragten zu Maßnahmen der Umverteilung fasst der Artikel wie folgt zusammen: 

Dummerweise erhält aber keine einzige derartige politische Maßnahme eine Mehrheit unter den 30- bis 59-Jährigen – weder die Einführung einer Vermögensteuer für Reiche oder die Anhebung des Spitzensteuersatzes für Gutverdiener noch die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes. Im Gegenteil, 70 Prozent halten es für „besonders wichtig“, dass Sozialhilfeempfänger deutlich weniger Einkommen haben als Erwerbstätige. Nicht einmal für einen höheren Mindestlohn spricht sich eine Mehrheit der Befragten aus.“ 

(…)

Grundsätzlich haben die 30- bis 59-Jährigen jedoch wenig Probleme mit Ungleichheit – solange diese auf die eigene Leistung zurückzuführen ist. Im Gegenteil, sie fordern sogar deutliche Unterschiede als Ausdruck von Gerechtigkeit.

Darin entlarvt sich die geistige Indoktrinierung der untersuchten Altersgruppe. Es werden krampfhaft die Ideale des Kapitalismus hochgehalten und alles links davon stehende verteufelt. Zwei Auffassungen sind zentral: 1.) Der Glaube, dass Leistung im modernen Kapitalismus das Prinzip der Gerechtigkeit steuere, und 2.) Der Wunsch, dass es ganz klar noch eine Klasse unterhalb der eigenen gibt. Beides sind gängige Trostpflaster im kapitalistischen System. Und insbesondere die Leistungsgerechtigkeit wird von den Wirtschaftseliten zunehmend ignoriert, da sich sonst viele Boni nicht rechtfertigen ließen.

Um ein Fazit zu ziehen: Was steckt hinter dem Gesellschaftsbild der Studienteilnehmer? Die Zusammenfassung des Artikels gibt Aufschluss:

Mir geht es gut, sogar besser als zuvor – aber diese Gesellschaft ist ungerecht und wird zunehmend ungerechter. So lässt sich die Stimmung der 30- bis 59-Jährigen in Deutschland zusammenfassen.

Die Leute sind harmoniebedürftig. Sie selbst fühlen sich eher der Elite als den Verlierern zugehörig, weil sie die Relationen von Reichtum längst nicht mehr begreifen. Der einfache Arbeiter stellt sich das Leben von Superreichen gar nicht mehr vor. Es ist eine getrennte Lebenswelt, ohne verbindenden Bezug. Das ist absurd. Die Leute assoziieren sich mit einer Schicht, die sie nicht kennen. Weil sie sie nicht kennen. Einen realen gesellschaftlichen Bezug gibt es nur noch nach unten gerichtet. Sozialhilfeempfänger und Flüchtlinge wollen mit ans low-budget Büffet, an die Brotkrumen der Gesellschaft.

Die Leute sind lethargisch, ihnen fehlt der Mut nicht bloß A, sondern folgerichtig auch B zu sagen. Hinzu kommt politisches Desinteresse und damit einhergehend die Ignoranz der krassen Widersprüchlichkeiten in den Lebensrealitäten in Deutschland. Was soll man da noch sagen, außer „Aufwachen, liebe Leute!“. Aber das einzige, was hilft, ist, dass die Leute die Katastrophe erleben werden, auf die wir zusteuern.


Artikel auf dem Smartphone erstellt – Kleinere Fehler bitte zu entschuldigen

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2 Kommentare

Verfasst von - September 9, 2016 in Politik, Gesellschaft, Top Artikel

 

2 Antworten zu “Generation A(-B)

  1. marien86

    September 9, 2016 at 1:08 pm

    Hallo tinyentropy,

    ich teile deine Meinung. Das Problem liegt wohl in der Differenz zwischen der Abstraktheit und Konkretheit menschlichen Handels. Abstrakt betrachtet ist soziale Ungleichheit ein Problem. Sie ist sehr schlecht zu verargumentieren. Konkret lässt sich dagegen sehr gut argumentieren, warum man dieses oder jenes nicht tun sollte. Man kann sich daran abarbeiten. Man kann sich an den Schwachen abarbeiten. Politik beginnt meiner nach mit dem einzelnen Individuum. Eliten bekommen nur den Spielraum den (das aggregierte) Individuum zulässt.

    Gruß, David

     
    • ausgesucht

      September 20, 2016 at 7:29 pm

      Ich stimme im großen & ganzen zu, meine aber, daß, wenn sich im Konkreten Aspekte finden lassen, die der eigenen Argumentation dienen können, das Konkrete als Argument dient – anderfalls jedoch das Abstrakte…

       

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