Gesellschaftliche Gleichstellung von Mann und Frau – ist das eigentlich gerecht? Eine ketzerische Frage.
Auf den ersten Blick ganz sicher.
Ich aber behaupte, dass das Gleichgewicht zwingend etwas zu Gunsten des Mannes ausgelegt sein muss.
Das möchte ich selbstverständlich gerne begründen:
Ich setze erstmal voraus, dass Sex das Maß aller Dinge ist, der Treibstoff des Menschseins. Sei es als Erfüllung des partnerschaftlichen Familienglücks, oder als die ultimative Senke für sinnlos angehäuften Reichtum einer rücksichtslosen Karriere.
Hinzu kommt, dass Frauen – es sei denn, sie sind körperlich sehr benachteiligt – die Ressource Sex in größerem Umfang zur freien Verfügung haben als Männer. Wenn dies stimmt, dann sind sie im ewigen Machtspiel zwischen Mann und Frau biologisch im Vorteil. Und damit in der zentralen Frage des menschlichen Daseins.
Ergo muss dieses biologische Ungleichgewicht zwischen Mann und Frau gesellschaftlich einen Ausgleich finden. Andernfalls fundamentiert die völlige gesellschaftliche Gleichstellung von Mann und Frau die weibliche Machtposition.
Ich bitte um Widerspruch, denn sonst wechsle ich schnellstmöglich in den Islam.
Viktor Koss
Dezember 27, 2015 at 11:24 pm
Eine zusätzliche Perspektive der gegenwärtigen Entwicklung findet man in der nahen Vergangenheit. Es geht um die Frage der gesellschaftlicher und rechtlicher Stellung der Ehe und Familie seit 60er Jahren. Ein sehr schweres und komplexes Thema:
Das zerrüttete Prinzip:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43366161.html
In letzten 50 Jahren hat sich die Ehe unserer Eltern und Großeltern so gravierend verändert, dass eine ganz neue Sittlichkeit entstanden ist. Dabei ist der komplexe Begriff der Sittlichkeit weder den Urteilen (Vorurteilen), noch die Bewertungen der Veränderungen wie gut oder schlecht belastet.
Die Ehe ist heute für die Eheleute weniger eine Schicksalsgemeinschaft, mindestens im Vergleich mit der „traditionellen Ehe“ die über Jahrtausenden hinweg für die Frauen und Männer war.
marien86
Dezember 28, 2015 at 4:14 pm
Hallo alle Miteinander,
hier mein Senf zum Thema:
„Ich setze erstmal voraus, dass Sex das Maß aller Dinge ist, der Treibstoff des Menschseins“
Der Mensch ist Mensch, weil er Sex hat? Ist nicht gerade die bewusste Auseinandersetzung mit Sexualität und Fortpflanzung der Beleg, das wir uns (ein Stück weit) von diesem Trieb entkoppelt haben? Diese These ist mir zu pauschal.
„Hinzu kommt, dass Frauen – es sei denn, sie sind körperlich sehr benachteiligt – die Ressource Sex in größerem Umfang zur freien Verfügung haben als Männer.“
Das mag sein. basiert diese These (vor allem) auf eigene Erfahrung oder gibt es empirische Belege dafür. Wenn Frauen diese Ressource mehr zur Verfügung haben, nutzen sie diese auch aus? Alle? Einige? Wenige? Jetzt soll ich aus dieser These gesellschaftliche Implikationen ableiten?
„Wenn dies stimmt, dann sind sie im ewigen Machtspiel zwischen Mann und Frau biologisch im Vorteil. Und damit in der zentralen Frage des menschlichen Daseins.“
Mir fällt gerade ein: Frauen müssen (rein biolgisch betrachtet) sehr genau wählen mit wem sie sich fortpflanzen. Männer können ihre Gene beliebig oft weiter geben Frauen eben nicht. Nun haben wir uns ja (ein Stück weit) von diesem Trieb entkoppelt. Die Zahl der Nachkommen ist nicht mehr relevant, evtl. Krankheiten, genetische Defekte können medizinisch behandelt werden.
Der Fortpflanzungsdruck definiert also nicht mehr (ausschließlich, vor allem) das Überleben des Homo Sapiens.
Zum „ewigen Machtspiel zwischen Mann und Frau“: Frauen verdienen durchschnittlich weniger, Frauen haben durchschnittlich weniger Chancen beruflich aufzusteigen (bei besseren Bildungsabschlüssen im Vergl. zu Männern), Frauen müssen sich überdurchschnittlich oft Kinder, Familie und Arbeit unter einen Hut kriegen.
Was ich nicht leugnen will: es gibt hier und da, natürlich Vorteile für Frauen, ganz unabhängig vom Thema Sex. Was ist aber mit dem großen ganzen Bild? Was ist mit dem Alltag von Menschen, in verschiedenen Schichten, in verschiedenen Regionen, in verschiedenen Altersgruppen? „Macht und Gesellschaft“, das sind so schön abstrakte Begriffe. Wenn sich das Thema „Geschlecht“ dazu gesellt, dann wird es schwierig. Aus deinem Blogbeitrag könnte man eine Doktorarbeit machen, dafür bräuchte angemessene Begriffsdefinitionen, gute Quellen und eine konsistente Logik. Lässt sich aus der (vermuteten) ungleichen Verteilung der Ressource Sex eine gesellschaftliche Ungleichheit (und damit die Machtfrage) ableiten?
Darf ich als Mensch mit körperlicher Behinderung folgendes fordern, ableiten:
weil ich aufgrund der offensichtlicheren Behinderung weniger Zugang zur Ressource Sex habe als Andere, besteht soziale Ungleichheit. Weil soziale Ungleichheiten ausgeglichen werden sollte, soll mir der Staat einen Bordellbesuch im Monat zahlen. Schließlich kann ich ja nur unterdurchschnittlich am “ Maß aller Dinge“ teilhaben.
Ich finde eines an deinem Gedankengang interessant, tinyentropy: du misst der Sexualität sehr hohe Bedeutung zu, du verknüpfst die Machtfrage damit. So was kann man unter Biologismus verbuchen. Anders wie im 19. Jhd. argumentierst du umgekehrt, die Frau ist eben (biologistisch betrachtet) nicht schwächer als der Mann, sie ist stärker. Dem müsse begegnet werden. Was ist mit der sozialen Konstruktion von Gesellschaft, Macht, Geschlecht dem „Mensch-sein“.
Warum brichst du das alles so herunter? Warum beschäftigt dich die Position der Frau? (sonst würdest du nicht solche Artikel schreiben)
Ich habe bisher v. a. starke Frauen erlebt, die ihre Stärke (leider) nicht ökonomisch umsetzen konnten. Die sich für ihre Famile, ihr Umfeld eingesetzt haben und einen „Arschtritt“ dafür bekommen haben. Ja, einige Frauen haben selbst Arschtritte verteilt, waren selbst Arschlöcher, haben ihre Vorteile ausgenutzt, so wie auch die Männer.
Das Individuum hat bestimmte Charaktereigenschaften, bestimmtes Wissen und Ressourcen. Weil Menschen unterschiedlich sind, verhalten sie sich unterschiedlich. Ich bin dafür, sich erst mal den Einzelnen anschauen, bevor man mit pauschalen Thesen versucht große Fragen zu beantworten.
Gruß, David
tinyentropy
Dezember 29, 2015 at 7:12 pm
Ja, Sex treibt den Menschen an. Und ja, der Mensch ist Mensch, weil der Mensch Sex hat. Sonst gäbe es nämlich keine Menschen mehr.
Mehr noch, so ist anzunehmen, dass viele Menschen, die nach Erfolg streben, dies tun, um beim anderen Geschlecht Eindruck zu machen. Das ist kein exklusiver Grund, aber ein häufiger. Oder wie kann man sich erklären, dass Berlusconi, Strauss-Kahn und die meisten Bänker ihr Geld für Prostituierte verhökern?
Pauschalisieren ist angebracht, wenn man den Kern herausarbeiten möchte und deshalb bewusst Ausnahmen der Regeln außer acht lässt. Die Frage ist, welche Triebfeder stellen die menschlichen Triebe letztendlich dar für die Masse der Menschen.
Körperlich behinderte Menschen sollten meiner Meinung nach auf jeden Fall Prostituierte besuchen können und durchaus dafür einen Zuschuss erhalten (wie auch immer das umzusetzen sei). Da es sich um Grundbedürfnisse des Menschen handelt, warum nicht.
Ich spreche nicht von der Vergangenheit, sondern – wie so oft – von der post-emanzipatorischen Ära, die wir das ‚hier und jetzt‘ in unserer Gesellschaft nennen. Viele Nachteile von Frauen, die ehemals bestanden, sind am verschwinden. In einigen Bereichen haben Frauen stattdessen jetzt gesetzlich verbriefte Vorteile. Etwa bezüglich Jobs bei gleicher Qualifikation, oder im Falle von Sorgerechtstreitereien.
Ob man eine Ressource, die man zur Verfügung hat, nutzt oder nicht ändert nichts daran, dass es einen Vorzug darstellt, über sie nach Belieben verfügen zu können.
marien86
Dezember 30, 2015 at 1:19 am
Hallo tinyentropy,
danke für deine Antwort.
Verstehe ich dich richtig: wenn die Gleichberechtigung „fast“ vollendet ist, legt das „Ministerium für Gleichberechtigung“ Quoten für die Verfügbarkeit der Ressource Sex fest. Gleichzeitig erhöht das Ministerium den MoZuBo (Monatlicher Zuschuss zum Bordellbesuch). Dazu gibt es die Liste zertifizierter, familienfreundlicher Bordelle in Berlin-Brandenburg…
Wo liegt mein Problem? Nicht, das der Staat einen Bordell-Zuschuss zahlt (resp. Quote Ressource Sex) Mein Problem ist, das der Staat bis ins Intimste Regelungen treffen muss (Rechtsstaat)
völlige Gleichberechtigung / soziale Gleichheit setzt den totalen Staat voraus. Denn er muss alle (möglichen /vermeidlichen) Ungleichheiten ausgleichen. Die Frage ist also: wie viel soziale Ungleichheit soll eine Gesellschaft dulden, um den totalen Staat zu vermeiden.
Ich habe sicher eine andere Wahrnehmung darüber, wie weit unsere Gleichberechtigung / soziale Gleichheit vorangeschritten ist. Ich kenne viele Frauen (unterschiedliches Alter, Bildungsgrat), die noch immer einem hohen Grad an Ungleichberechtigung erleben müssen.
Auch bleibe ich dabei, das Sex ein wichtiger aber nicht der zentrale menschlichen Daseins ist. Ich kann deine Argumente nachvollziehen, meine Erfahrungen, mein Alltag lassen mich zu anderen Schlussfolgerungen kommen.
Gruß, David