Beim Anblick des Rheins scheint die Antwort auf die Frage, ob wir nicht in der besten aller möglichen Welten leben, klar und eindeutig. Es sieht doch ganz danach aus. Aber dies ist nur ein Moment und es ist ein privilegierter. In Afrika, wo zur Zeit die Seuche Ebola schrecklich wütet, würde die Aussage, dass die Welt von Gott so perfekt wie eben möglich eingerichtet wurde, zu recht als zynisch empfunden werden.
Die Idee, dass wir zwar nicht in einer perfekten, wohl aber in der Bestmöglichen aller Welten leben, stammt von dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz. Leibniz wollte mit seiner Aussage über die begrenzten Möglichkeiten eine Welt zu konfigurieren, deren Grundmotive Leben und Tod sind, das Bild eines fürsorglichen Gottes bewahren; trotz immer wiederkehrender Katastrophen, die Gottes Wohlwollen den Menschen gegenüber in Frage stellen.
Ich kann dieser Idee durchaus etwas abgewinnen. Unsere Welt – ich meine damit das ganze Universum – ist ein kompliziertes Geflecht, das wohlmöglich von einem göttlichen Wesen begründet wurde. Seit Gottes Anstoß bewegt sich die Welt als ein Ereigniskarussell autonom weiter. Es übersteigt unsere menschlichen Fähigkeiten zu beurteilen, wie die Welt als ganzes, einschließlich aller geschichtlicher Abläufe, besser hätte in Gang gesetzt werden können. Es kann also sein, dass wir trotz aller Katastrophen um uns herum in der besten Welt leben, die möglich ist.
Aber natürlich kann man sich fragen, warum Gott jetzt nicht mehr eingreift. Vielleicht hat Gott uns Menschen doch vergessen, trotz gut gemeinter Absichten zu Beginn.
Wer sich gerne weiter mit dieser Frage beschäftigen möchte, dem empfehle ich diesen Beitrag des philosophischen Radios zu diesem Thema.
selbstmeisterung
September 19, 2014 at 8:58 pm
Dass wir in der besten Welt leben, die möglich ist, ist eigentlich ein sehr schön formulierter Gedanke. Danke für diesen Beitrag, denn er ist anregend. Eigentlich ist es ein Satz dem man bei genauerer Betrachtung sehr viel abgewinnen kann. Dem selbst viel inne wohnt. Ich denke wir leben in einer Welt der Möglichkeiten, der besten Möglichkeiten.
marien86
September 19, 2014 at 9:00 pm
Hallo tinyentropy,
als Atheist frage ich mich, warum man den Gedanken hegen sollte, dass Gott eingreifen müsste? Wenn ein Vater bemerkt, dass sein (mündiges) Kind sich falsch verhält, dann ist er gut beraten nicht (aktiv) einzugreifen. Er sollte sehr wohl passiv eingreifen: seine Meinung kundtun, sein Unbehagen ausdrücken.
Mündigkeit, verstanden als Eigenverantwortlichkeit bedeutet nicht (immer und ständig) das Beste zu tun. Es bedeutet, die Konsequenzen seines Handelns zu tragen, ob positive oder negative. Im Gegensatz zu Computern können wir Fehler machen und darüber reflektieren. Sie werden nie „mündig“ sein, sie werden immer menschliche Eingriffe benötigen. Sollte es mal Geräte geben bei denen das nicht mehr so ist, dann sind dies eben mündige Wesen.
Wir arbeiten keine Lochkartenstapel ab, wo der Operator mal vorbeikommt und Dinge korrigiert.
Die beste aller Welten ist eben kein Paradies, ist kein Ende des Konflikts. Vielleicht weil sie endlich, vielleicht weil sie latent bedroht ist sie das „Beste“. Es klingt zynisch, birgt aber auch Hoffnung: man kann sich einrichten und für sich entscheiden, was das (sein) bestes ist.
Mündigkeit kann (und muss) heißen, dass nicht automatisch alles gut werden wird. Der Vater wird nicht kommen, um uns von der Schlägerei abzuholen. Wir können in der Gosse mit einer Fahne aufwachen.
Es ist eben nichts vorprogrammiert (prädestiniert)?
Gruß, David
tinyentropy
September 20, 2014 at 2:07 pm
Hallo David!
Du hast das toll beschrieben. Ich glaube schon, dass man das so sehen kann. In dem verlinkten Podcast wird mit Bezug dazu gesagt, dass manche von Menschen zu verantwortenden Greuel so schlimm sind, dass man eben nicht mehr einfach sagen kann, Gott lässt sie in unserer Eigenverantwortlichkeit geschehen und greift aus Respekt vor unserem freien Willen nicht ein. Ein Vater würde es eben nicht zulassen, dass sich seine Kinder gegenseitig ermorden, auch wenn er ansonsten eine laissez-faires Erziehung verfolgt. Ich sehe das auch so. Manche Übel sind zu immens.
marien86
September 20, 2014 at 2:44 pm
Guter Punkt.
mein Vater-Kind-Beispiel hat vlt. einen Haken wenn es um die Analogie Gott-Mensch geht. Es wird unterstellt, dass Gott eine emotionale Bindung zu seinen Geschöpfen hat. Es ist nur eine These. Außerdem, es gibt Mütter und Väter, die ihre Kinder töten. Grausamkeit, psychische Krankheiten u. a. können Gründe dafür sein.
Wenn es stimmt, dass Gott uns „nach seinem Ebenbild“ geschaffen hat, warum sollte er kein „Arschloch“ sein? Die alten Griechen haben eine Götterwelt kreiert, die eben solche Persönlichkeiten zuließ, Es gibt verschiedene Charaktere und Schwächen. Man hat die Gottheiten gar nicht so moralisch überhöht, wie die Christen später taten.
Entbindet uns ein solches moralisch überhöhtes Wesen nicht von unserer Verantwortung, nach dem Motto: Gott wird den Holocaust nicht zulassen, also sind die Nazis gar nicht so gefährlich. Es gab den Holocaust und es gab die Banalität des Bösen. Wir können Andere (Gott) nicht für unsere eigenen Grausamkeiten verantwortlich machen. Aber genau dies würde man unterstellen, wenn man fordert, Gott müsse bei bestimmten Übeln eingreifen.
Wie gesagt, ich bin Atheist. Ich will gar kein Wesen für menschliches Fehlverhalten verantwortlich machen. Der Mensch muss mit sich selbst leben. Jede Hoffnung auf „übernatürliche Hilfe“ würde das mit-sich-selbst-Beschäftigen schmälern. Wir haben 1000 Jahre lang in einer Welt gelebt, wo der Einzelne auf das Jenseits vertröstet wurde. Die Gesellschaft hat stagniert, weil man sich nicht mit dem Menschen beschäftigen musste. Es gab ja das Jenseits.
Warum hätte Gott eingreifen, und den Holocaust verhindern sollen? Um den Menschen vor sich selbst zu schützen? Ist dies wirklich seine Aufgabe?
Gruß, David
ausgesucht
September 25, 2014 at 1:18 pm
Hast Du dem Gedanken Raum gegeben, daß die einzige unter den gegebenen Umständen mögliche Welt zugleich auch die bestmögliche ist? Freilich aber zugleich auch die schlechtestmögliche…
Und daß Gott nicht mehr eingriffe, halte ich für eine recht gewagte Unterstellung. Wie sähe die Welt aus, wenn er wirklich nicht mehr eingriffe? Wer kann das wohl wissen?
tinyentropy
September 26, 2014 at 1:02 pm
Das verstehe ich nicht. Warum sollte die bestmögliche auch die schlechtmöglichste Welt sein. Dies unterstellt eine Singularität, nämlich dass überhaupt nur eine Welt möglich sei. Das wiederum glaube ich nicht. Ich glaube an viele offene Möglichkeiten und an einen Pfad durch all diese, der durch Zufall bestimmt wird, auch wenn alles Naturgesetzen unterliegt. Die Frage ist bloß, ob Gott diese Naturgesetze anständig und bestmöglich eingerichtet hat. Dazu zähle ich auch den freien Willen der Menschen. Man kann sich nämlich die Frage stellen, ob uns Menschen eine Welt ohne freien Willen besser schmecken würde (sehr hypothetisch). Aber wie auch immer. Bessere oder schlechtere Welten wären möglich, zumindest theoretisch. Aber ob die Welt im Rahmen der gegebenen Gesetzmäßigkeiten besser sein könnte, ohne dass Gott permanent eingreift, können wir beschränkten Wesen aufgrund der Komplexität wie alles ineinander greift nicht ermessen.
Kann ich wissen, ob Gott noch eingreift!? Nein. Aber ich kann feststellen, dass er mehr tun könnte, weil es zu viel schreckliches Leid auf Erden gibt.
ausgesucht
September 26, 2014 at 2:10 pm
Hui, daß an einer „einheitlichen Theorie über alles“ gearbeitet wird, ist ja bekannt. Aber ob sie wohl anläßlich Deines Fragenkomplexes gefunden werden wird, ist doch einigermaßen unwahrscheinlich. 😉
Nein, Spaß beiseite: Du hast sehr, sehr viele Themen angerissen. Nehmen wir genau den ersten Satz. Und nur den. Um uns jetzt nicht in der Unendlichkeit von irgendwie möglichen (weil denkbaren) Welten zu verlaufen, schlage ich als Begriffssetzung vor, daß wir mit „Welt“ nur das meinen, in dem wir sind und das unserer Erfahrung irgendwie zugänglich ist. Parallelwelten sind auch ein chices Thema, sind jetzt aber nicht gemeint.
Und diese Welt, behaupte ich, ist die einzige Welt, die uns zur Verfügung steht (also von uns erfahrbar ist). Sie hätte wahrscheinlich auf dem Weg zu dem, was sie jetzt ist, andere Möglichkeiten gehabt. Sie hätte eine andere werden können, wenn sie da und dort nicht links, sondern rechts „abgebogen“ wäre. Aber das ist irrelevant, weil sie auf dem Pfad durch die Möglichkeiten (wie Du es formuliert hast) zu dem geworden ist, wie wir sie jetzt erfahren können. Für uns ist sie die einzige (erfahrbare) Welt, mithin also zugleich die beste und die schlechteste.
Würde das „Experiment“ der Weltschaffung neu ablaufen, wäre es wohl unwahrscheinlich, daß es wieder zu dieser uns bekannten Welt käme. D.h. genauer müßte man schreiben: Wenn Leibniz mit seiner „Beste-aller-Welten“ recht hat, wäre es sehr wahrscheinlich, daß die besten (weil optimalen) Eigenschaften sich wieder so manifestieren würden. Allerdings neige ich eher zu der Annahme, daß die Wiederholung der Weltschaffung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer völlig andersartigen Welt führen würde (also Leibniz sich geirrt hat, wenngleich sein Gedanke formallogisch fehlerfrei ist). Und auch sehr wahrscheinlich gäbe es in dieser anderen Welt auch Bewußtsein, das sich die Frage stellen kann, ob wir nicht in der „besten aller möglichen Welten“ leben…
marien86
September 25, 2014 at 4:57 pm
@ausgesucht
woher können wir wissen, dass Gott eingreift? Deine Unterstellung ist genauso „gewagt“ wie die von tinyentropy. Seit Kant fragt keiner mehr nach Gottesbeweisen. Ich bin kein Philosoph, ich kann das nicht näher bewerten. Seine Frage „was kann ich wissen“ steht hier doch im Vordergrund. Dass zum Beispiel der Holocaust passiert ist, wirft die Frage nach menschlichem (Fehl)Verhalten auf. Ob Gott hier eingegriffen hat oder nicht ist gar nicht relevant. Relevant ist, das die Nazis in den KZs die „Hölle“ geschaffen haben. Darum geht es.
Was Gott, wann, wie, weshalb getan haben könnte, das bringt uns nicht weiter. Deshalb brauchen wir keinen externen Sündenbock (Gott). Wir brauchen uns selbst. Da sind wir schon genügend beschäftigt.
Gruß, David
ausgesucht
September 25, 2014 at 6:51 pm
@marien86
Woher willst Du wissen, daß Gott nicht eingreift? Nur, weil es einen Autoritätsbeweis gibt, der über 200 Jahre alt ist?! Ich empfinde es als recht unangenehm, wie generös Du über Relevanz und Nichtrelevanz befindest – Zweifel sind nicht so Dein Ding, oder?
infragesteller
September 25, 2014 at 7:08 pm
Ich bin jetzt auf den fahrenden Zug gesprungen und habe den Verlauf nicht gelesen. Es heißt ja, dass Gott uns den freien Willen schenkt, also… Was ich nicht verstehe, ist warum sich Gott beispielsweise bei Ebola oder bei Hunger und Not in Afrika nicht einmischt… Was sollen wir daraus lernen??? Warum lässt der über alles Gütige das zu?
ausgesucht
September 25, 2014 at 7:16 pm
… wir kennen die Pläne des alten Rauschebarts nicht!
Aber vielleicht erwarten wir auch nur zuviel: siehe hier…
infragesteller
September 25, 2014 at 8:33 pm
Ich glaube nicht wie andere wirklich an „den“ Rauschebart und die Pläne machen eigentlich wir… Was Afrika betrifft und wieso es so ist, habe ich keine Antwort. Ich verstehe aber nicht, warum Er das ganze Leiden zulässt…
marien86
September 25, 2014 at 10:14 pm
@ausgesucht
falls ich mich missverständlich ausgedrückt haben: ja, ich kann nicht wissen, dass Gott nicht eingreift. Kannst du wissen das er eingreift? Ist deine Position nicht genauso zweifelhaft?
Du magst sicher dahin gehend recht haben, dass ich bestimmte Festlegungen treffe, über die die man streiten kann und muss. Mir aber nach ein paar Zeilen Text zu unterstellen, dass Zweifel für mich nicht wichtig seien, dass entbehrt jeglicher Grundlage.
Wenn du mein Gesagtes nicht teilst, dies ist dein gutes Recht. Wenn du mein Gasagtes als unangenehm empfindest, auch dies ist dein Reicht auf dein Empfinden.
@all
es würde mich interessieren, ob auch andere Leser ausgesuchts Eindruck teilen.
Gruß, David
infragesteller
September 26, 2014 at 7:42 pm
Schwierig, Partei zu ergreifen: Über Kirche/Religion lässt sich nur zu gut streiten… Einerseits möchte ich an die Höhere Macht glauben (auch wenn ich offiziell keinem Glauben mehr angehöre) und dass Sie weiß, was sie tut; andererseits frage ich mich wo sie ist, wenn Vertreter unterschiedlicher Glaubensrichtungen sich bekämpfen und töten… Töten im Namen Gottes? Sagt wer? Und Er lässt es zu? Wer hat recht??? (Nur als Beispiel…)
Skidbeast
Januar 25, 2015 at 2:31 pm
„woher können wir wissen, dass Gott eingreift“- es ist einfach unmöglich.
Wir können nicht einmal wissen, ob „Gott“ eigentlich existiert, da sowohl die Widerlegung der Nicht-Existenz Gottes als auch die Widerlegung der Existenz Gottes unmöglich sind.
Daher ist die Frage ob Gott ist und wenn ja, ob Gott irgendetwas macht/gemacht hat oder auch nicht nur irrelevant, sondern gar Sinnlos.
Aufgrund jener Sinnlosigkeit müssen wir uns selbst als Erschaffer von den Begriffen „Gut“ und „Böse“ sehen und somit den Menschen als Macher des menschlichen (Fehl)Verhaltens.
Nun zurück zu der Eigentlichen These Der Bestmöglichen Welt, gebe ich auch mal meinen Senf dazu:
Wir leben in einer Welt, die so ist, wie sie ist, da wir, wenn sie anders wäre, als sie ist, womöglich gar nicht existierten, um die andere Welt wahrzunehmen und zu bewerten. Somit ist diese Welt eine mögliche(oder die einzig mögliche?) Welt, in der wir, so wie wir sind, existieren können und die Welt beurteilen können. Daher ist diese Welt die „Bestmögliche Welt“ aller unendlich möglichen Welten, wenn wir sie als eben „Bestmögliche Welt“ betrachten und wenn wir sie als „schlechtmöglichste Welt“ betrachten, dann ist sie eben die“schlechtmöglichste Welt“.
Unsere Welt ist also das, was wir in ihr sehen und aus ihr machen.
Grüße, Skid
p.s. mit Gott meine ich hier einfach eine art „Allmächtige“ Instanz verleichbar mit den Monotheistischen Göttern. Die nicht-Existenz von Göttern, wie in anderen Religionen, also Wesen, mit Übermenschlichen Fähigkeiten, (z.B. Zeus als ein wesen mit natürlichem Teaser im arm- zum Blitze schleudern 😉 ) kann man Widerlegen in dem Man ein solches Exemplar findet.