Die Strasse zu meinen Füßen, der Weg noch vor mir. Ich blicke in die Ferne, dann auf mein Handy. Das GPS blinkt oben links in der Ecke. Die verfluchte Technik macht alles so kompliziert. Auf sie zu verzichten kommt mir dennoch nicht in den Sinn. Ich bin ein Informationsjunkie und will natürlich die Parameter meines Laufes später wissen. Und Sport bedeutet schließlich sich den Herausforderungen zu stellen. Also gilt das auch für die Technik. Wie auch immer, das GPS blinkt nicht mehr, es kann losgehen.
Vor mir der zweite Lauf diese Woche. Ich will loslaufen, ich muss loslaufen, ich laufe los. Weg von meiner Couch, auf der ich viel lieber liegen würde. Die Strasse hinunter, der Pulsschlag geht rauf. Schnell spüre ich meinen Körper. Er kommt in Schwung. Schneller, immer schneller, dann wehrt er sich. Was? Wieso jetzt schon? Die Beine so schwer, aber wovon? Was habe ich in den letzten Tagen gemacht? Egal. Zähne zusammen gebissen geht es weiter. Die Disziplin lohnt sich. Es fällt mir jetzt leichter und ich gleite sanft in einen tragenden Rhythmus. So darf es weiter gehen, so mag ich es. Das erste mal weitet sich mein Blick und ich sehe das Schöne um mich herum. Natur und andere Joggerinnen, Familien auf ihrem Sonntagsspaziergang.
Gut, nicht alles ist schön. Die Körper abgebrochener Baumriesen am Wegesrand trüben die Idylle. Der letzte Orkan hat schrecklich gewütet. Man kann es kaum glauben. Immerhin hat sich die unwirkliche Weltuntergangsszenerie durch die weit fortgeschrittenen Aufräumarbeiten verflüchtigt. Das erspart mir dieses mal den Hindernisslauf. Plötzlich erklingt eine blecherne Stimme in meinen Ohren, in denen Kopfhörer stecken. ‚Distanz: 1 Kilometer‘. Prima, denke ich. Noch keine große Leistung, aber die Technik funktioniert.
Dann wird es schwer. Der Rest der Strecke zieht sich, wenn auch in schöner Landschaft, dahin. Ellenlang. Noch 3,5 weitere Kilometer. Meine Musikauswahl ist mir leider keine Hilfe. Suboptimal. Aerosmiths‘ größte Hits; wer’s glaubt!? Ich schleppe mich weiter, fliege dahin, leicht wie eine Feder. Andere Jogger machen sicher auch keine bessere Figur, bin ich mir sicher, und just in diesem Moment sehe ich zwei in meiner Nähe.
Er läuft … schnellen Schrittes an mir vorbei, mit einem Lächeln im Gesicht. Offenbar hat er die richtige Musik im Ohr. Sie läuft … wie eine Gazelle… ihm hinterher, an mir vorbei. Für einen kurzen Moment sehe ich wie sich Staubpartikel unter ihren schnellen Schritten lösen, aufwirbeln und in meine Lunge dringen. Dann verschwinden sie aus meiner Sicht. Der Rest bleibt Kampf und quälender Fortschritt. Doch irgendwie habe ich es wieder geschafft. Sport ist Mord, denke ich unter der Dusche. Danach feiert man Wiederauferstehung.
ausgesucht
Juni 29, 2014 at 4:07 pm
Ist diese Art der Selbstkasteiung zu irgendetwas nütze? Ich meine, wirklich nütze für Körper und Seele? Oder ist es eher eine Art Selbstgefangennahme (und Freiheitsberaubung an sich selbst) durch den eigenen Verstand? 😉
tinyentropy
Juni 29, 2014 at 7:41 pm
Na ja. Sport muss ja schon sein. Und ich trainiere mich langsam wieder hoch.
Aber im Prinzip gebe ich Dir schon recht. Bloß ginge es mir ohne die Fitness durch den Sport ja nicht besser, sondern sogar schlechter. Und dieser Moment danach, wenn man es geschafft hat, ist echt schön.
dasmanuel
Juni 30, 2014 at 11:51 am
Treffende Situationsbeschreibung. Ist es nicht IMMER so, dass ‘die Anderen’ schneller, besser, weiter sind als man selbst. Im Sport wie im restlichen Leben.