In einem Artikel der populärwissenschaftlichen Zeitschrift „Psychologie heute“ wird die jetzige Jugend mit dem Schlagwort „Generation App“ bezeichnet. Das Leben in sozialen Netzwerken sei demnach für die Jugendlichen prägend.
Ich habe mir den Artikel über die Generation App durchgelesen. Insgesamt gehen die Autoren meiner Meinung nach von einer nicht ausreichend repräsentativen Datenbasis aus. 150 Jugendliche wurden intensiv befragt und einige weitere Studien dafür zusammengefasst. Nichtsdestotrotz nennt der Artikel einige Aspekte, die durchaus interessant sind:
1.) Langeweile und Muße sind wichtige Antriebe für kreatives Schaffen. Durch das ständige Ausweichen auf die Beschäftigung mit dem Smartphone vermeiden es aber Jugendliche konsequent Langeweile aushalten zu müssen. Dadurch leiden kreative Ausdrucksformen, wie etwa Kurzgeschichten und Poesie, die sich außerhalb des Smartphones abspielen.
2.) Die Autoren weisen darauf hin, dass Menschen in sozialen Netzwerken zu verfügbaren Objekten werden, die (von anderen Menschen) benutzt werden um kurzzeitige Bedürfnisse zu stillen, wobei es kaum noch wahres Interesse an der anderen Person gibt.
3.) Die Oberflächlichkeit der Kommunikation verhindert wahres Einfühlungsvermögen in die Gefühle unserer Freunde und Familienangehörigen. Dadurch isolieren sich die Menschen voneinander, obwohl sie scheinbar stärker miteinander vernetzt sind.
4.) Jugendliche stehen über Messenger und Netzwerke stärker als früher in Kontakt mit ihren Eltern, wodurch sie sich nicht mehr so deutlich von ihnen abkapseln.
5.) Insgesamt scheint es, dass sich die Art der Freundschaften diversifiziert hat. Es gibt mehr Freundschaften zwischen unterschiedlichen Kulturkreisen und zu Angehörigen von Randgruppen.
Die Punkte 3 und 4 haben mich in diesem Blog auch schon häufiger beschäftigt. Darin sehe ich auch eine Gefahr. Den zuletzt genannten Punkt finde ich sehr schön.
Pfeffermatz
Februar 11, 2014 at 11:33 pm
Der letzte Punkt scheint auch der einzige positive zu sein; wobei Punkt 5 auch positiv gesehen werden kann (wenn nicht das „Abkapseln“ sondern die Beziehung zu den Eltern in den Fokus gerückt wird). Punkt 1 finde ich sehr wichtig: Langeweile Aushalten zu können ist eine wertvolle Fähigkeit, die so leider untergeht.
tinyentropy
Februar 11, 2014 at 11:49 pm
Zu Punkt 1 muss man aber noch sagen, dass zwar klassische Bildungsideale vernachlässigt werden, aber dafür andere kreative Ausdrucksformen entstehen. Man denke an Youtube-Videos verschiedener Couleur, so wie viele andere Dinge, wie etwa Fotomontagen, etc. Ich erinnere mich auch an die Vertonung der Steuber-Rede, für die auch die Öffentlichkeitsplattform Youtube ein Anreiz gewesen sein mag:
marien86
Februar 11, 2014 at 11:43 pm
Moin tinyentropy,
dass erinnert mich an den antiken Philosophen, der seine Schüler als faul und unkreativ bezeichnete.
Ja, Technik sorgt dafür, dass wir aus gewohnten sozialen Umgebungen heraus gelöst werden. Dein erster Punkt zielt ja darauf ab, dass das „sich Aushalten können“ Kreativität und Muße schafft. Waren unsere Steinzeitmenschen wirklich so kreativ? Sind wir heute durch die Technik einfallslose Zombies geworden?
Dein zweiter Punkt zielt auf dass, was Marx „Entfremdung“ nennt. Über die Technisierung interagieren wir mit Mitmenschen. Diese Interaktion ist (ein Stück weit) durch den Kapitalismus geprägt. Mitmenschen befriedigen unsere kurzfristigen Bedürfnisse. Waren unsere Steinzeitmenschen empathische Wesen, die langlebige Beziehungen pflegten? Sind wir heute vollständig voneinander entfremdet?
Oh, es gibt sich ausdifferenzierende Beziehungen (Freundschaften) auch durch Technik? Wissen wir schon sein Georg Simmel.
Auf was will ich hinaus: das was die Studie anhand sozialer Netzwerke darlegt, lässt sich seit Menschengedenken beobachten. Auf der einen Seite gibt es Entfremdung von den Individuen, auf der anderen Seite befindet sich der Mensch in sich immer weiter differenzierenden sozialen Kreisen. Einerseits isoliert uns Technik, andererseits befreit sie uns aus der dörflichen ständischen Gesellschaft.
Ich denke, auf längere Sicht gesehen, werden soziale Netzwerke genauso gefährlich sein, wie es Telefone und das Fernsehen heute ist.
Entspannt bleiben 🙂
Gruß, David
tinyentropy
Februar 12, 2014 at 12:00 am
Bin entspannt 😉 Habe ja nur einen aktuellen Artikel zu dem Thema zusammen gefasst und gesagt, dass ich einige Schlussfolgerungen teile.
gnaddrig
Februar 12, 2014 at 3:55 pm
Interessante Punkte. Deine Anmerkung zu 1 gefällt mir. Es ändern sich die Formen und Medien kreativer Betätigung, die Kreativität geht aber nicht unter. Wenn durch ständiges Hantieren mit Smartphones bestimmte Formen der Langeweile und Muße selten werden, gibt es sicher andere Arten von Langeweile – wer mehr oder minder hirnlos herumdaddelt, hat sicher jede Menge Hirnkapazität im Leerlauf, und da kommt es dann eben auch wieder zu Ideen.
Insgesamt muss man sich bei solchen Sachen vorsehen, dass man nicht die simple Veränderung des Alltags durch Adaption neuer technischer Möglichkeiten und die daraus resultierende Veränderung von Gepflogenheiten, die Verschiebung von Prioritäten per se als Bedrohung und Niedergang sieht.
Die Gesellschaft und das Leben ändern sich fortwährend, wie übrigens schon immer, und das ist erstens unvermeidlich und zweitens wertneutral. Ob man vertraute Formate (gedruckte Lyrik, Tageszeitung, Theater) oder neue Formen (Twitter-Timelines, Blogs, Massively Multiplayer Online Games o.ä.) bevorzugt, ist mehr eine Frage des Geschmacks als des intellektuellen oder zivilisatorischen Niveaus.
Ohne dass ich jetzt Änderung um der Änderung willen gutheiße, finde ich es faszinierend, wie flexibel der Mensch ist, dass er sich an wild unterschiedliche Bedingungen anpasst und dort blüht und gedeiht.