Genau das möchte man der italienischen Justiz entgegenhalten, die Silvio Berlusconi zwar zu einer verdienten Gefängnisstrafe verurteilt hat, ihm aber drei der vier Jahre wegen überfüllter Gefängnisse erlässt.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/berlusconi-zu-vier-jahren-haft-verurteilt-a-863689.html
Mal ganz unabhängig von der europäischen Finanzkrise frage ich mich ab und zu, ob Italien noch zu Recht in der EU ist!? Gibt es da nicht auch Kriterien hinsichtlich der Korruption in der Politik eines Landes!?
marien86
Oktober 26, 2012 at 8:43 pm
Hallo tinyentropy,
Italien ist meines Wissens Gründungsmitglied der Montan-Union. Selbst wenn es detaillierte Kriterien zur Bestimmung von Korruption gäbe, man könnte die wirtschaftlich drittstärkste Nation nicht einfach „rausschmeißen“
Ich denke Korruption ist eines der schwierigsten Themen in der Politik- und Wirtschaftswissenschaft. Ohne eine „Weltregierung“ lassen sich kaum verbindliche Standards dazu aufrecht erhalten. Denn es kommen ja u. U. noch kulturelle und gewohnheitsrechtliche Aspekte hinzu.
Berlusconi ist das Symbol der 90er, Symbol eines Scherbenhaufens, der nach Zusammenbruch (Korruptionsskandale) des etablierten Parteiensystems Anfang der 90er, zusammen gekehrt wurde. Ich finde es ein wenig vermessen, so prominent auf ihn einzuhauen. Klar, Schuld bleibt Schuld. Hier geht es aber auch um eine Systematik hinter dem „Aushängeschild“
– warum haben die Italiener seine Partei gewählt? (In der Ahnung das dort Korruption existiert)
– warum haben die politischen Institutionen nicht adäquat reagiert?
– warum lies die EU solche Zustände entstehen?
Berlusconi ist ein brillanter Machtpolitiker. Er hat die Zeichen seiner Zeit entsprechend gedeutet. Er hat die Bedeutung der Medien erkannt und genutzt. Er hat die Legitimität demokratischer Entscheidungen erkannt und sie genutzt. Er hat gezeigt, dass sich etablierte Demokratien auch außerhalb etablierter Pfade bewegen können (Postdemokratie).
Die interessante Frage lautet: mit wie viel „Unrecht“ agiert Italien? Wir haben mit dem EUGH einen durch mächtigen Akteur in dieser Beziehung. Wenn es einen wirklich handfesten Rechtsbruch gäbe, wäre dieser längst aufgegriffen worden. Da wir Deutschen ja noch nicht mal die UN Antikorruptions.. (hach, diese Fachworte, mir fällts nicht ein) ratifiziert haben, was wollen wir Italien eigentlich vorwerfen? Der schwarze Koffer, Kohl und Schäuble sind immer noch „unbestraft“, wenn man in moralischen Kategorien denkt.
Gruß, David Marien
gnaddrig
November 11, 2012 at 10:45 pm
Ich wundere mich eher, wieso bei Italien alle so lange stillgehalten haben. Als in Österreich die FPÖ an der Regierung beteiligt war, wurde das Land von der Rest-EU weitgehend geschnitten. Berlusconi hat dagegen – von Haus aus krimineller Unternehmer – das Land konsequent so umgebaut, dass er für seine vielfältigen Vergehen kaum je belangt werden konnte, dass es kaum unabhängige Medien gab. Er hat sich Klopper um Klopper geleistet, und alle haben höflich weggeschaut, weil er so schön Witze erzählen konnte. Mit Silvio gab es immer was zu lachen. Hätte Putin sich nur halb so viel geleistet, hätte es jedesmal einen gewaltigen Aufschrei und Sanktionen gegeben,
Kohl sind sie wegen der Parteispendenaffäre an den Karren gefahren, bei der er sich immerhin nicht persönlich bereichert hatte. Berlusconi bedient sich und biegt dann systematisch die Gesetze so zurecht, dass ihm keiner kann, und niemand begehrt auf? Wenn das mal keine Doppelmoral ist…
Immerhin ist er jetzt mal verurteilt worden. Sogar wenn das eher symbolisch ist – es wurde Zeit!