Wir haben uns längst schon an Produkte der Miniaturisierung gewöhnt, seien es die Mikrochips unserer Computer oder die Nanopartikel in unseren Schuhsprays. In der Biotechnologie gibt es derzeit sehr interessante Fortschritte in einem Bereich, den man sich so ähnlich wie die Entwicklung von Computerchips vorstellen kann. Dabei werden allerdings nicht Elektronen durch den Chip gelenkt, sondern winzige Mengen von Zelllösungen. Ein Briefmarken grosser Chip beherbergt ein kompliziertes Netzwerk aus Mikrokanälen, durch die die Zellen geleitet werden. Der Chip ist ein Mini-Labor, das heisst eine Reihe von komplizierten Analyseschritten können direkt auf dem Chip ausgeführt werden. Diese neuen Techniken werden so langsam marktreif und bieten ein fantastisches Potential. Davon möchte ich Euch heute erzählen.
Die „Mikrofluidik“ beschäftigt sich als Wissenschaft mit dem Flussverhalten von Flüssigkeiten in winzigen Kanälen, die einen Durchmesser von wenigen Mikrometern oder weniger aufweisen. Dies sind die Dimensionen einzelner bakterieller Zellen. Es zeigt sich, dass sich Flüssigkeiten in diesem Massstab deutlich anders verhalten als wir das in der makroskopischen Welt kennen. Deshalb mussten zunächst die Grundlagen erforscht werden, wie man Flüssigkeiten durch ein Netzwerk von Mikrokanälen „fliessen“ lassen kann. Dazu mussten Pumpen, Vermischungszonen und Stellhähne im Mikromassstab entwickelt werden. Im Allgemeinen spricht man hier von dem Chip-Design.
Das Tolle an den Mikrochips ist, dass wir darin sehr kleine Mengen von Zellen, zum Beispiel aus einer Blutprobe, akkurat untersuchen können. Es ist also ein Vorteil, dass wir nur sehr kleine Mengen an Untersuchungsmaterial benötigen. Von noch grösserer Bedeutung ist aber die Tatsache, dass wir auf den Chips die Zellen voneinander trennen und einzeln manipulieren können. Das ist eine grossartige Möglichkeit.
Mit Fluoreszens-Mikroskopie können die biologischen Zellen auf den Chips untersucht und beobachtet werden. Der Schlüssel dieses Prinzips sind fluoreszierende Reportergene. Das sind Gene, die fluoreszierend in Erscheinung treten, wenn sie in den Zellen aktiv sind.
In der Vergangenheit wurden oft ganze Zellkolonien oder Mischungen aus vielen Einzelzellen untersucht. Dies verfälscht aber die herleitbaren Ergebnisse, weil sich die Zellen in den Phasen ihrer Genexpression unterscheiden und sich die messbaren Effekte dabei überlagern und das Bild für uns verschleiern. Ein Beispiel dafür ist die so genannte „flow cytometry“ Methode.
Bei diesem Verfahren wird eine Lösung von Zellen in das Messgerät gegeben. Innerhalb des Geräts zirkuliert ein Lösungsmittel durch ein Kanalsystem, welches einen Durchmesser in der Grössenordnung einzelner Zellen aufweist. Die Zellen werden von dem Lösungsmittel umspült und vereinzelt in den Kanal eingetragen. Das heisst, der Aufbau bewirkt, dass die Zellen eine nach der anderen durch den Beobachtungskanal rutschen und dann mit einem Laser vermessen werden können. Auf diese Weise können in kurzer Zeit sehr grosse Zellkolonien untersucht werden. Aber jede Zelle kann nur ein mal gemessen werden. Das heisst, eine Langzeitbeobachtung einzelner Zellen ist dadurch nicht möglich. Man kann nur versuchen, durch chemische Modifikation die Zellen vorab in ihren inneren Zuständen zu „synchronisieren“. Dadurch kann jede Zelle als Repräsentant einer gemeinsamen zeitlichen Entwicklung aufgefasst werden und man kann durch Vermessung der Population auch auf die zeitliche Entwicklung einer einzelnen Zelle schliessen. Aber dieses Verfahren ist indirekt und die Synchronisierung ist schwierig. Natürlich können wir einzelne Zellen alternativ auch im Mikroskop beobachten. Aber die Biotechnologie sucht immer nach so genannten Hochdurchsatzverfahren, um viele Tausende von Messungen parallel ausführen zu können. Und dies geht mit den neu entwickelten Mikrochips. Denn sie lassen sich so designen, dass viele Tausende von Zellen individuell in kleine „Käfige“ gesperrt werden können, in denen sie lebensfähig bleiben und gezielt mit Nährstoffen versorgt werden können.
Was für Untersuchungen werden dadurch möglich? Da gibt es wenig Beschränkungen. Denn die Chips können sehr variabel designt werden. Einige Anwendungen sind die Erforschung der Entwicklung von Tumorzellen oder Untersuchungen, wie Zellen auf bestimmte Umgebungsbedingungen reagieren.
Wie muss man sich nun die Herstellung so filigraner Strukturen vorstellen? Dies geschieht ähnlich, wie Computerchips hergestellt werden. Das Design der verzweigten Kanäle kann am Computer erstellt werden und mit Fotomasken auf einen Siliziumwafer übertragen werden, der mit einem lichtempfindlichen Fotolack beschichtet ist. Die Stellen, die nicht durch die Fotomaske vor Belichtung geschützt werden, durchlaufen durch das Auftreffen der Photonen eine chemische Modifikation und werden durch die Entwicklerlösung in einem Waschschritt abgetragen. Kurzum, das Relief des Kanalnetzwerks bleibt auf der Oberfläche erhalten. Mittels dieser Schablone kann der Chip dann mit organischem Material gegossen werden.
Tobi
Juli 5, 2012 at 6:42 pm
Ich so;: Bio-Chips! Mal sehen was der Herr Kollege Doktorand da so über einer meiner Lieblingsknabberei zum besten gibt……
Nach 3 Sekunden: hahaha!
Ich schreibe aktuell selbst meine Diss und bein über deinen Kommentar bei Spon gestolpert! Schöner Blog hier!
Grüße
Tobi 🙂
tinyentropy
Juli 5, 2012 at 8:59 pm
Danke 🙂 Das hört man doch sehr gerne. Willkommen! Drück Dir natürlich auch die Daumen für Deine Diss!
ElDoradoNuevo
Oktober 10, 2012 at 10:15 pm
Reblogged this on WATCH THE FACTS.