Kürzlich habe ich jemanden in Istanbul besucht. Es war eine tolle Reise und Istanbul ist eine beeindruckende Stadt!
Dazu möchte ich Euch eine kleine Anekdote erzählen, die mir anlässlich der zur Zeit viel diskutierten Integrationsstudie wieder einfiel!
Bei meinem Erlebnis spielt ein Brot eine wichtige Rolle. Genau so eines, wie ihr es auf dem Bild abgebildet seht.
Denn so ein Brot hatte mir eines Morgens meines Aufenthalts sehr gut geschmeckt und ich wollte es am darauf folgenden Tag bei einem Bäcker in Istanbul kaufen gehen.
Ich spreche leider kein Türkisch und in diesem Fall kam ich auch mit der englischen Sprache nicht weiter. Ich hatte vielleicht erwartet, dass es die Brote in der Auslage gäbe, aber das war nicht der Fall. Wie also sollte ich das spezielle Brot bestellen?
Der Verkäufer war sehr aufmerksam und freundlich. Also malte ich ihm die Blumenform des Brots in die Luft. Er schien mich sofort zu verstehen, schaute mich aber dennoch fragend an und sagte ein türkisches Wort. Ich begriff, dass er mich verstanden hatte und lachte und sagte „Evet!“ und nickte heftig mit dem Kopf. Er schaute noch einmal, dann verschwand er kurz.
Ich war sehr froh, als ich das richtige Brot in der Hand des Verkäufers erblickte und er es für mich einpackte. Ich bedankte mich, ‚tesekkürler!‘, und wiederholte vor dem Mann ein paar mal freudig die neu gelernte Vokabel, damit ich den Namen des Brots im Kopf behielt. Der Verkäufer blickte mich freundlich an und wir verabschiedeten uns.
Als ich bei meiner Bekannten zuhause ankam und ihr die Geschichte erzählte, klärte sie mich auf. Das Brot war vom Vortag, also nicht mehr ganz frisch. Genau das hatte mir der Verkäufer gesagt und dies war die neu erworbene Vokabel in meinem kleinen türkischen Wortschatz! Ich hatte mich wie ein Kind vor ihm darüber gefreut, dass ich das Brot vom Vortag in Händen hielt!
Dies hat mir die Augen geöffnet, wie hilflos man in einem fremden Land ist.
Selbst wenn man sehr offen und kommunikativ ist, ist man total darauf angewiesen, dass einem die Leute wohlwollend und freundlich begegnen! Und genau das ist in Deutschland meiner Ansicht nach zu selten der Fall! Schon alleine deshalb, weil deutsche Geschäfte ohnehin noch an ihrer Kundenfreundlichkeit zu arbeiten haben. Aber auch, weil Ausländern eben nicht immer wohlwollend und mit Achtung begegnet wird!
Man stelle sich einen türkischen Mann in einer deutschen Bäckerei vor, in derselben Situation. Vielleicht täusche ich mich ja, aber ich denke, man hätte ihn etwas von oben herab behandelt.
Als ich zurück nach Deutschland kam und das grimmige Gesicht des Zollbeamten sah, da wusste ich, nun bin ich wieder zuhause!
Mascha
März 6, 2012 at 1:06 pm
Schöne Geschichte. Weißt Du, genau das macht mich traurig. Ich bin schon so viel gereist und ich habe so viele verschiedene Menschen kennengelernt und alle waren aufgeschlossen, hilfsbereit und freundlich. Aber wenn ich dann nach Deutschland komme, fühle ich mich wie ein Ausländer. Ich erkenne die Unfreundlichkeit, die Grimmigkeit und das Verschlossene, da ich von außen in die Box schauen kann….und irgendwie schäme ich mich dafür.
tinyentropy
März 6, 2012 at 11:11 pm
Du hast vollkommen recht. Ich denke, jeder der mal privat zu Besuch im Ausland war, wird das nachvollziehen können. Aber Pauschal-Mallorca-Reisende bilden da eben eine Ausnahme 😉
wendepunkte
März 6, 2012 at 3:05 pm
traurig, aber wahr…
bildungsvorscherin
März 10, 2012 at 5:23 pm
Beim Lesen Deiner kleinen Brot-Kauf-Begebenheit fällt mir die Szene aus dem Film „Almanya – Willkommen in Deutschland“ ein. Da kauft die gerade aus der Türkei nach Deutschland gezogene Frau ebenfalls Brot in einem Laden und das ist ganz süß und witzig gemacht. Zum einen wird mit den Sprachen jongliert, weil statt Deutsch dort eine Kunstsprache gesprochen wird und dafür ist Türkisch dort Deutsch, so können sich deutsche ZuschauerInnen gut in die Türkisch sprechende Protagonistin einfühlen. Außerdem wird deutlich, dass die Deutschen nicht immer nur die Blöden sind, sondern auch in die deutsche Verkäuferin konnte ich mich ein bisschen hineinversetzen. Das ist diesem Film insgesamt sehr gut gelungen: nicht schwarz-weiß-Denken, sondern deutlich machen, dass die Dinge komplex und individuell sind. Und oft auch lustig. So ist Integration ja auch wirklich: individuell und auch mal komisch.
tinyentropy
März 10, 2012 at 10:15 pm
Gute Idee, wie sie das in dem Film umgesetzt haben. Sehe das auch so, dass es in diesem Zusammenspiel auf alle Beteiligten ankommt. Man muss eben ernsthaft kommunizieren wollen. Dazu gehört eben auch den anderen verstehen und akzeptieren zu wollen.
Anonymous
März 10, 2012 at 5:24 pm
Hallo alle Miteinander,
ich lese hier von „uns“ Deutschen und „den“ Ausländern. Ich will gar nicht leugnen, dass es offenere Mentalitäten in der Welt gibt, als die, die wir meistens in Deutschland antreffen. Ich will auch gar nicht leugnen, dass das zu Problemen führen kann. Nur, was ist der richtige Maßstab, was die richtige Mentalität?
Mir haben viele USA-Reisende erzählt, dass sie die oberflächliche sehr starke Freundlichkeit von Verkäufern nervig finden. Was das richtige Maß an Freundlichkeit, ist sowieso subjektiv.
Es gibt viele Dinge, die ich an diesem Land schätze, perfekte Menschen gibt es aber auch hier nicht und auch keine perfekte Mentalität. Meiner Ansicht gibt es andere Aspekte, der Mentalität vieler Deutschen, die kritikwürdig sind. Z. B. der verbreitete Wille sich schnell unterzuordnen oder gescheiterten Menschen ihre zweite Chance zu geben. Die Frage wie fremd man sich in D fühlt ist sicher wichtig, hat für mich aber geringere Priorität.
Gruß, David Marien
tinyentropy
März 10, 2012 at 10:31 pm
Es geht nicht darum wie fremd man sich speziell in Deutschland fühlt. Sondern darum, dass man in jedem Land als Zugereister vor vielen Problemen steht und sich zwangsläufig erstmal fremd fühlt. Ich wollte aufzeigen, dass man es schwer hat in einem fremden Land, weil viele Probleme schon mit den Schwierigkeiten der Kommunikation beginnen. Daher ist es natürlich wichtig, dass man schnell beginnt die Sprache zu lernen.
In Deutschland ist speziell, daß viele Menschen die Welt nur als Pauschal-Touristen bereisen, am besten in Länder, wo die Menschen auch Deutsch sprechen (Mallorca). Daher machen sich viele Deutsche solche einfachen Probleme im alltäglichen Leben nicht klar.
Deinen anderen Punkt verstehe ich nicht. Ich halte es für eine gute Eigenart, gescheiterten Menschen eine zweite Chance zu geben. Zumindest als moralische Richtschnur. Natürlich gibt es gravierende Vorfälle, bei denen die Täter keine zweite Chance mehr verdient haben. Oder auch, wenn sich derjenige selbst nicht bemüht.
Ich sehe keinen Bezug zum Thema dieses Artikels und möchte keine offtopic-Diskussion über sonstige Probleme der Deutschen starten. Wie gesagt: Es geht mir darum zu zeigen, welche Probleme man generell hat, wenn man am Leben in einem (noch) fremden Land teilnehmen möchte, bevor man die Sprache beherrscht.
Gruss und gute Nacht!
bildungsvorscherin
März 11, 2012 at 8:33 am
Insgesamt gebe ich Dir total Recht und finde außerdem, dass wir die die These, dass es darauf ankäme, schnell die Sprache zu lernen, vorsichtig betrachten sollten: In der Politik und in großen Teilen der Gesellschaft wird das immer wieder behauptet. Aber es gibt z.B. Menschen, die im Leben kaum Zugang zu Bildung hatten und denen es schwer fällt (oder die glauben, dass es ihnen schwer fällt), eine neue Sprache zu lernen. Die gelten dann schnell als dumm oder unwillig. Außerdem gibt es Gruppen von Zugewanderten, von denen nicht erwartet wird, dass sie Deutsch lernen: JapanerInnen in Düsseldorf oder amerikanische und französische Communities in Berlin. Die sonst immer so gefürchteten Parallelgesellschaften werden hier nicht als Problem wahrgenommen.
tinyentropy
März 11, 2012 at 9:26 am
Richtig, unterschiedliche Gruppen von Ausländern werden unterschiedlich in ihrer Fremdheit akzeptiert. Aber ich denke, daß die von Dir beschriebenen zwei Fälle eben keine Integration sind. Bspw. die Japanerinnen würden sicher wenig am öffentlichen Leben teilnehmen und darauf warten mit ihrem Mann und der Familie wieder nach Japan zurück zu gehen, so bald der Job des Manns erledigt ist. Es sind Sonderfälle, meiner Meinung nach.
Liebe Gruss
tinyentropy
Juni 26, 2015 at 7:27 pm
bayat çiçek ekmek!