In vielen Ländern protestieren Menschen gegen das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA, welches drastische Änderungen für die Privatsphäre im Internet bedeuten könnte, wenn es von der EU und anderen Ländern mitgetragen werden würde.
Konkret ist damit gemeint, daß Internetprovider zukünftig die Daten ihrer Kunden über lange Zeit speichern dürften und als Hilfs-Sheriffs den Internetverkehr der Kunden überwachen müssten. Sinn und Zweck dessen ist, dass sie bei Verdacht auf Aktivitäten wie Downloads nicht legal erworbener Songs Strafen auferlegen dürfen – wie etwa die Sperrung des Accounts und ggf. Weitergabe der Informationen an Strafbehörden.
Gewiß, man kann sagen, dass dies gerechtfertigte Aktionen wären, da solche Musikdownloads oder heruntergeladene Filme eben illegal sind. An dieser Stelle sollte sich aber jeder einmal offen und ehrlich überlegen, ob er / sie frei von „Schuld“ ist und für sich ausschließen kann, illegale Musikdownloads auf seinem Rechner bzw. Iphone, etc. zu haben. Man neigt oft dazu, dies im eigenen Fall als Bagatelle ab zu tun. Tatsächlich bewegt man sich aber im strafrechtlich relevanten Bereich!
Die Realitäten heutzutage sind doch so, daß Musikstücke per Handy auf dem Schulhof ausgetauscht werden. Das geschieht drahtlos, unkontrollierbar. Auf einem einfachen Handy können Tausende solcher Songs gespeichert und ausgetauscht werden. Solche Musikstücke landen im Endeffekt in vielen Haushalten. Von der CD/DVD, die man kopiert bekommt, ganz zu schweigen. Viele Leute denken sich bloß nichts dabei. So lange man Teil der Masse ist, fühlt man sich in Relation unschuldig und sicher. Das Problem ist, daß man trotzdem illegale Leichen im Keller hat, was im Einzelfall fatal sein könnte, wenn wir alle in unseren Online-Aktivitäten überwacht werden würden.
Man stelle sich einen Politik-Journalisten und Regierungskritiker vor, der sich nicht den Mund verbieten lässt und heiße Eisen anfaßt. Auf seinem Computer finden sich illegale Downloads, die seine beiden Kinder gemacht haben. Der Fall wird publik und landet vor Gericht. Am Ende steht eine empfindlich hohe Geldstrafe. Gut, in Deutschland denkt man nicht direkt daran, daß dies der Regierung in die Hand spielen könnte. Doch könnte eine Reierung auf diese Art einen unliebsamen Kritiker als kriminell titulieren und mundtot machen. In China (AiWeiWei), oder Russland (Michail Chodorkowski) sieht das aber schon ganz anders aus! Es hängt davon ab, wer die Regierung stellt! Und das wiederum gilt auch für Deutschland. Man beachte: wenn eine solche Überwachungsstruktur erst einmal installiert ist, dann bleibt sie auch bestehen. Und wer weiß, wer uns in 5 oder 10 Jahren in Deutschland regieren wird.
Der Punkt ist: Wollen wir es zulassen, uns leichtfertig, weil ohne Widerstand, überwachen und kriminalisieren zu lassen, obwohl wir in der Praxis bestimmte Tätigkeiten kaum noch umgehen können, weil sie mit der neuen Technik Einzug in unser Leben gehalten haben? Und was steht dem an berechtigten Argumenten entgegen? Sind die Interessen der Verwertungsgesellschaftten so ehrenwert, dass sie unser Opfer der Freiheit im Netz wert wären?
Hinter ACTA stehen die Interessen der Wirtschaftsverbände wie etwa der Gema oder Monsanto, einem Saatgutunternehmen, welches die Bauern mit seinen Patenten drangsaliert. Es sind Lobbyinteressen aller erster Güte! Man muß übrigens bei Gema, Warner Brothers & Co hinterfragen, ob dahinter auch die Künstler stehen, oder doch nur die großen Plattenlabel, die an zeitlich überkommenen Geschäftsmodellen festhalten möchten. Interessanter weise sprechen sich nämlich viele Künstler gegen die Kriminalisierung der Internettauschbörsen aus. Siehe dazu auch folgenden Blogeintrag, über ein Vetriebskonzept von einzelnen Künstlern, welches bewusst die Mechanismen der großen Plattenlabel umgeht.
Die an ACTA beteiligten Regierungen arbeiten mit hoher Sicherheit für Lobbyinteressen, sind darüberhinaus aber auch allgemein an einer Ausweitung ihrer Kontrolle über das Internet interessiert, so daß dies Hand in Hand geht.
Was bringen die aktuellen Proteste? Momentan leider noch viel zu wenig. Die EU-Kommission zeigt sich bisher wenig beeindruckt von den Protesten. Doch noch ist ein kurzes Zeitfenster für weiteren Protest vorhanden. Die Verträge wurden von den meisten Ländern bereits abgenickt. Sie müssen allerdings noch ratifiziert werden. Und auch das steht kurz bevor! Die Verhandlungen waren übrigens grösstenteils geheim, selbst das EU-Parlament kennt bisher nicht alle Details. Das lässt nichts gutes erahnen.
Wenn man also seine Freiheit im Netz verteidigen möchte, dann ist genau JETZT gerade noch der richtige Zeitpunkt seine Meinung den Regierenden klar zu machen! Im Endeffekt wären wir zusammen die mächtigste Lobby, denkt Ihr nicht!? Informiert Euch also jetzt! Nützliche Hintergrundinformationen findet Ihr bei Wikipedia.
Update: Ich entschuldige mich für das billige Wortspiel im Titel. Das war wohl weniger kreativ als ich gedacht hatte. Anfängerfehler! 😉
Update 2: Ich denke es ist fair, hier auch eine Gegenstimme zu zitieren. In Form eines Leserartikels auf zeit.de, „Generation kostenlos„. Ich teile die Auffassung des offensichtlich jungen Autors, daß der Wert geistigen Eigentums oft nicht mehr richtig geschätzt wird, wie die häufige Bagatellisierung von Plagiaten andeuten könnte. Jedoch bin ich nicht der Meinung des Artikels, daß wir deshalb ACTA „verdienen“.
Was der Leser hier beschreibt ist eine reife Einsicht eines jungen Menschen, der sich seiner Handlungen bewusst wird. Jedoch die Konsequenz ist falsch. Nur weil einige Menschen sich der geistigen Urheberrechte nicht bewusst sind, muß deshalb noch kein allgemeines Gesetz zur Regulierung folgen!
Fakt ist, daß die Industrie sich an die veränderten Zeiten anpassen muß. Aber nicht indem ihre Lobbyverbände protektionistische Gesetze durchsetzen. Das Gut eines unüberwachten Freiraums wiegt bedeutend höher! Ich bin dagegen, daß eine Form der Überwachung installiert wird, die später noch unabsehbare Konsequenzen haben könnte.