Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?
So heißt es in Grimms Märchen, in Anspielung auf die Eitelkeit. Heutzutage verkörpern soziale Netzwerke und Online-Singlebörsen diese Funktion der abrufbaren Selbstbestätigung für Männer und vor allem für Frauen.
Der Satz der Schönsten im ganzen Land kann in zwei Lesarten interpretiert werden: 1.) Bin ich die/der Schönste? sowie 2.) Ist mein Partner die Schönste/der Beste? Es geht um die miteinander wechselwirkenden Aspekte der Suche nach Bestätigung, Anerkennung und der Suche nach dem perfekten Partner, der keine Kompromisse verlangt. Und ich bin der Meinung, die Menschen verlieren dabei ihren Mut zu Kompromissen.
Es scheint mir, daß das Leben online unsere Bindungsfähigkeiten im Leben offline beeinflußt, vielleicht sogar beschädigt.
Wer schon einmal versucht hat, in einer Online-Börse einen Partner zu finden, wird die folgenden Beobachtungen sicher geteilt haben. Doch auch im so genannten real life sieht es meiner Meinung nach inzwischen nicht viel besser aus. Der Grund ist einfach. Wir verlagern unsere Freundschaften und Beziehungen mehr und mehr ins Internet zu Facebook &Co. Daher ist es kein Wunder, daß wir die dort herrschenden Normen und Regeln auch umgekehrt in unser Privatleben übernehmen.
Erster Befund: Nur noch flache Kommunikation
Ich schaffe es kaum noch mit Leuten online richtig ins Gespräch zu kommen. Nach 4 ausgetauschten Nachrichten dauert die nächste Antwort plötzlich viel länger, dann ist auch bald schon Schluss. Wahrscheinlich hat sich bei Facebook gerade eben ein anderer zu Wort gemeldet.
Ich habe den Eindruck die Menschen geraten mehr und mehr unter Druck ihre vielen Bekannschaften zu koordinieren. Immer öfter höre ich das Wort Unwort „Freizeitstress“. Die Leute müssen Verabredungen 2 Wochen im vorraus in ihre Kalender eintragen. Dahinter steckt oft die Angst Lücken in der Freizeitplanung zu haben, ein WE ohne Partyverabredung. Denn spontan sind heute noch die wenigsten. Wenn man 200 Freunde online hat, dann will andauernd irgendwer was von einem. Und das stresst.
Zweiter Befund: Übertriebene Erwartungen
„Germany’s next top model“ prägt die junge Generation, aber auch die älteren. Wir denken, daß wir selbst perfekt sein müssen und wir suchen nach nicht weniger als dem perfekten Partner. Doch damit machen uns (gegenseitig) das Leben schwer.
Dritter Befund: Verzerrte Selbstwahrnehmung
Wenn ein junges Mädchen ein paar Bilder von sich online stellt, erhält sie mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell dutzende Emails von interessierten Männern. Wie wird dies die Selbstwahrnehmung des Mädchens mit der Zeit beeinflussen? Freundinnen erzählen mir, daß sie mit Emails von Männern zugespamt werden.
Außerdem leben die Menschen in dem Zwang, sich als vielbeschäftigt darstellen zu müssen. Scheinbar zählt nur der, der aufgrund seiner vielfältigen sozialen Kontakte bis zur Oberkante im Freizeitstreß untergeht. Das ist schade. Ich bin berufstätig, schreibe diesen Blog, habe viele Interessen und fühle dennoch keinen Freizeitstreß. Bin ich vielleicht psychisch krank? Muß ich mir Sorgen machen?
Vierter Befund: Weibliches Ego-Boosting
Warum sind so viele Frauen in Flirt-Portalen unterwegs, obwohl sie doch nach eigenen Angaben bloß von den Männern enttäuscht werden? Die Antwort ist, weil es ihnen ein Gefühl der Überlegenheit verschafft. Sie betrachten die Männer als ihr Publikum.
Fünfter Befund: Mutlosigkeit, so bald der potentielle Partner Ecken und Kanten zeigt
Ich ärgere mich als Mann darüber, daß ich es einer Frau kaum noch recht machen kann. Mann hat einfach keine Chance. So bald man ehrliches Interesse zeigt, weicht die potentielle Partnerin aus. Ich denke der Grund ist, daß in ihr zu diesem Zeitpunkt die alte Optimierungsfunktion zu arbeiten beginnt, ob sich nicht noch etwas besseres finden lässt! Das war im Prinzip immer so, aber …
Früher war alles besser?
… es gibt Unterschiede. Früher fand die Optimierungsfunktion des optimalen Partners mit klaren Parametern statt. Der hübscheste Junge, das hübscheste, netteste Mädel aus der Nachbarschaft. Punkt! Doch heute hat die Globalisierung Einzug gehalten 😉 Es gibt in den Weiten des Internets potentiell immer bessere Kandidaten, viele warten oft schon auf ihre Chance im Email-Postfach irgendeines Online-Flirtportals. Wer sich frühzeitig festlegt, bekommt es mit der Angst zu tun noch etwas besseres verpassen zu können!
Die meisten Menschen suchen sicher online keinen Partner, weil sie sich tief im Inneren die alte, klassische Art und Weise des Kennenlernens wünschen und sich unterbewusst darüber im klaren bleiben, daß das Leben online etwas anderes als unser analoges Offline-Leben ist.
Dennoch, entweder aus Langeweile, Neugierde oder zur Selbstbestätigung, aus dem ein oder anderen Grund wird online geflirtet, daß die Kabel glühen! Flirten wird häufig als amüsantes, unverbindliches Spiel, ohne ernste Absichten, betrieben. Meistens, um etwas kurzfristig fehlendes zu kompensieren! Doch viele Menschen verrennen sich dabei unbewusst in eine Falle, denn auf diese Weise ändern sich ihre Maßstäbe an potentielle Partnerschaften.